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Leitungswechsel

VON ALEXANDER KROSPE („THÜRINGER ALLGEMEINE“; 9. 5. 2015)

Roßleben. Als Gewichtheber hat Daniel Rabenhold die Ruderer einst belächelt. Nun ist der 44-Jährige, der bei der Bundeswehr in Erfurt arbeitet, seit drei Wochen neuer Vereinsvorsitzender beim Ruderclub Roßleben und löste nach 56 Jahren Urgestein Karl Träger ab. Dabei ist Rabenhold seit noch nicht einmal einem Jahr Vereinsmitglied.
Durch seinen 14-jährigen Sohn Tim, der seit vier Jahren dem RCR angehört, ist Daniel Rabenhold zum Rudern gekommen. 2013 war er im Trainingslager in Zechlin als Betreuer dabei und unternahm selbst die ersten Versuche mit dem Ruder. „Da habe ich allerdings mehr im Wasser gelegen, als im Boot gesessen“, gibt der Roßlebener lachend zu. Dennoch hat Rabenhold sich dem Verein angeschlossen, weil er schon länger nach einem Klub gesucht habe, wo er sich engagieren könne. Während die anderen typischen Sportarten in Roßleben wie Kegeln und Fußball nicht unbedingt seine Sache waren, hat er sich im Juni 2014 dem hiesigen Ruderclub angeschlossen und bei seinem Vorgänger Karl Träger damit für große Erleichterung gesorgt.
„Ich bin Daniel zutiefst dankbar, dass es jetzt jemanden gibt, der den Vorsitz im Verein weiterführt. Ich habe seit sechs Jahren einen Nachfolger gesucht, aber einige im Verein haben sich gescheut, die Verantwortung zu übernehmen. Deshalb ist Daniel jetzt so etwas wie meine letzte Hoffnung. Er hat sich das Rudern in kurzer Zeit angeeignet“, lobt Karl Träger.
Der 81-Jährige bleibt dem Verein in seiner neuen Position des Stellvertretenden Vorsitzenden noch mindestens zwei Jahre erhalten, um Rabenhold den Übergang zu erleichtern. „Ich will die Leute noch unterstützen, die jetzt am Räderwerk drehen. Wir können nur gemeinsam nach vorn kommen. Mit meinen Erfahrungen will ich helfen, dass wir Probleme und Notwendigkeiten gemeinsam lösen“, erklärt Träger, der den Verein 1959 als damalige Sektion bei der BSG Aktivist Roßleben mit vier Mitstreitern gründete.
Der Grund dafür war eigentlich ein Schicksalsschlag. Denn Karl Träger war einst Turner. Sogar ein sehr guter. Nationalkader sollte er werden, bis 1959 ein schwerer Unfall zu einer halbseitigen Lähmung führte. Die Ärzte hatten Träger damals verboten, weiter Sport zu treiben, doch der Roßlebener gab nicht auf und merkte recht schnell, dass es durch die Bewegung wieder aufwärts ging.
Das Rudern konnte er auch mit seiner Beeinträchtigung betreiben und so gründete er im Sommer nach seinem Unfall die Rudersektion. „Das war für mich der Rettungsanker“, gibt Träger offen zu. Künftig hat er sich mit seiner Frau Ingeborg, ohne deren Unterstützung all das nicht möglich gewesen wäre, und seinen Kindern dem Rudern verschrieben.
„Der Ruderclub ist unser Lebenswerk. Wir haben neben unserem Beruf und der Pflege des eigenen Grundstückes immer alles für den Verein getan. Die 56 Jahre waren ein harter Weg, aber mit all den schönen Erlebnissen und Ergebnissen hat sich das gelohnt“, ist Träger auf die Erfolge des RCR stolz.
1971 ist Roßleben Trainingszentrum geworden, hat insgesamt 16 Athleten zum Sportclub und zur Kinder- und Jugendsportschule nach Halle und Leipzig delegiert. Als berühmtestes Kind des Vereins ist die aus Wiehe stammende und zweimalige Vize-Olympiasiegerin Annekathrin Thiele aus dem Ruderclub hervorgegangen.
Auch Träger selbst, der nach wie vor trotz einiger gesundheitlicher Probleme noch aktiv rudert, feierte als mehrfacher Senioren-Weltmeister Erfolge. Der schönste für ihn war die Medaille bei den erstmals in Europa ausgetragenen Masters im italienischen Turin, als er 2013 mit 80 Jahren Gold holte.
„International wissen sie jetzt, wer der Träger aus Roßleben ist, das ist mir eine Genugtuung. Ich habe das gemacht, um andere sportlich mitzureißen und um selbst gesund zu bleiben. Ich bin stolz, dass ich das so lange machen konnte“, so Träger, der nach eigener Aussage geweint habe, als Gattin Ingeborg Ende 2010 als tragende Seele des Vereins das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekam.
Nun geben die Trägers ihr Lebenswerk langsam in jüngere Hände. Und das in keiner einfachen Zeit. Denn der Ruderclub muss und will neue Wege gehen, vor allem auch, weil der Nachwuchs fehlt. Deswegen soll die Ausrichtung künftig vom Wettkampf- zum Breitensport führen und Familienveranstaltungen im Mittelpunkt stehen.
„Wir laufen jetzt mehrgleisig im Verein. Wir kehren zurück zu unseren Wurzeln und wollen das Wanderrudern, mit dem der Verein einst aufgebaut wurde, wieder in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehören schöne Ausflüge in die Natur ohne Wettkampfcharakter. Es geht mehr um die Gesundheit, denn Rudern ist beispielsweise sehr gut für die Wirbelsäule“, erklärt der neue Vorsitzende Rabenhold.
Auch er hat sich vom Rudern überzeugen lassen. „Das ist eine schöne Sportart, das hätte ich früher auch nicht gedacht. Aber man erlebt die Natur hautnah und nun wollen wir im wahrsten Sinne des Wortes die Leute mit ins Boot holen“, so Rabenhold.
Der neue Vereinschef hofft, durch das Wanderrudern wieder mehr Kinder in den rund 90 Mitglieder umfassenden Verein zu holen, die später vielleicht auch etwas mehr den Wettkampfcharakter für sich entdecken könnten.
Auch für eine Zusammenarbeit mit der Klosterschule und der Regelschule Roßleben wäre er offen. Um den Nachwuchs künftig noch spezifischer trainieren zu können, wird Rabenhold im Herbst auch einen Fachtrainerlehrgang in Leipzig absolvieren.
„Mit Daniels Engagement habe ich die Hoffnung, dass wir den richtigen Weg gehen“, so Träger, der weiß, dass er seinem Nachfolger eine gute Basis überlassen hat. „Materiell gesehen haben wir für die Ausübung des Sportbetriebes in ganz Thüringen mit die besten Voraussetzungen“, ergänzt er.
Nun hoffen die Protagonisten auf neue Interessenten, die sich dem Rudersport einmal zuwenden möchten. Das wäre auch für Rabenhold ein wichtiger Impuls bei seinem sicher nicht ganz einfachen Erbe. Doch der neue Vereinsvorsitzende ist voller Tatendrang und gibt zu: „Ich mache das nur, weil Karl noch einen Stück des Weges mitgeht“.